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Urs Koller baut (nicht nur) auf Sand

Heute treffe ich Urs Koller. Den «Sandskulpturen Urs». Organisator des bekannten Künstler-Festivals auf der Rorschacher Arion-Wiese. In diesem Sommer findet es zum 25. Mal statt. Vom 10.-17. August wird gebaut. Stehen bleiben die Kunstwerke bis zum 8. September. Doch was macht Urs eigentlich sonst so? 

Wer an Urs denkt, hat ein klares Bild vor Augen: braungebrannt, die Haare zum Pferdeschwanz gebunden, Jeans und weisses Baumwoll-Unterliibli. Nicht in diesem Unterhemd, aber schon wieder mit einer gesunden Bräune im Gesicht, öffnet mir Urs die massive Holztüre zu seinem Atelier, das gleich neben dem Rorschacher Rathaus liegt. Kunstvoll eingeritzt steht auf der Türe “Hafenkneipe”. Im Fenster nebenan küssen sich eine Dame und ein Herr leidenschaftlich. In Öl gemalt, auf Leinwand. Zusammen treten wir ein in einen dunklen, langgezogenen Raum. Mittendrin eine Bar mit Zapfhahn. Ein Überbleibsel eben dieser Captain Joes Hafenkneipe, später bekannt unter dem Namen «Hardy’s».

Malen & Formen
Mein Blick schweift ab zu den Bildern an der Wand. Ein hübsches Gesicht mit braunen Kulleraugen, ein Baby in Blau mit einer Schutzbrille vor den Augen, ein etwas dicklicher Arbeiter – quer über seinen Schultern liegt ein gewaltiger Stahlträger, der wirkt wie ein umgekehrter Balanceakt – daneben wieder das küssende Paar vom Schaufenster. Die Lippen ineinander verschmolzen. Diesmal dezent in dunklen Farben gemalt. Motive, die das Leben als Vorlage liefert. «Ich male Menschen, Portraits und Aktbilder oder Szenen, über die ich im Alltag stolpere und mit meiner Kamera festhalte. Manchmal als Auftrag, öfters aber einfach so.»

“Das machst du also, wenn du nicht gerade das Sandskulpturen-Festival organisierst?” frage ich den gut 50-jährigen Künstler. Dabei erzählt mir Urs von seinen Reisen zu den verschiedensten Festivals auf der ganzen Welt, auf denen er arbeitet, die er berät oder bei denen er Teil der Jury ist. Und vom Leben und Arbeiten in seinem zweiten Zuhause, dem elefantengrauen Atelierbus, mit dem er oft und gerne unterwegs ist. “Ich liebe es, mit meinem Büssli durch die Gegend zu kurven. Auf diese Weise unterwegs zu sein, lässt mich eine unbändige Freiheit spüren.” Urs reist aber auch an Orte, an denen sein geliebtes Büssli nicht mitdarf oder kann wie Kanada, Amerika, China oder den Osten Europas. «Einmal reiste ich in einem Jahr in 17 Länder!» Spricht’s aus und schüttelt vehement den Kopf: “Das möchte ich auf keinen Fall mehr. Da bleibt der Genuss völlig auf der Strecke.”

Im schummrigen Atelierlicht entdecke ich ein paar Skulpturen. Gefertigt aus verschiedenen Materialien. “Für meine Skulpturen verwende ich Materialien wie Beton, Stein (am liebsten Rorschacher Sandstein), Bronce, Holz, Feuer oder selbst gemischter Kunststoff”, erklärt der gelernte Bildhauer. “Ach ja, neustens sogar Schokolade”. In einem Auftrag für das Pariser Nobel-Hutlabel «Headoniste» stellte er eine Silikonform her, aus der ein bekannter Pariser Chocolatier 20 Mini-Chäppli gleichzeitig hervorzaubern kann. Diese versüssen demnächst den Gästen eines exklusiven Business-Events den Abend.

“Die meisten Aufträge bekomme ich durch Mund-zu-Mund-Werbung”, freut sich Urs. Mit gut 20 nahm er zusammen mit einem Künstlerfreund zum ersten Mal an einem Schneeskulpturen-Festival teil. “Unsere Schneeskulptur «Traum einer Ameise in Holland» begeisterte die Jury und heimste uns doch glatt den Sieg ein. Dieses Festival hat das Feuer in mir entflammt.”

Eis & Sand
Schnee und Sand besitzen völlig verschiedene Texturen. “Mit Schnee und Eis arbeitet man grob, denn das durchschimmernde Licht schluckt die Konturen.” Urs ist Mitglied der Jury am Schneeskulpturen-Festival des Forums Würth Rorschach, wo er ab und zu verblüfft wird von Naturtalenten, die richtig ansprechende Skulpturen formen. “Mit Sand hingegen kann man sehr filigran arbeiten, ist aber an die Gravitation gebunden.”

Apropos Sand. Das bekannte Sandskulpturen-Festival Rorschach feiert diesen Sommer Jubiläum. Vor einem viertel Jahrhundert hatte Urs die zündende Idee, die sich im Laufe der Jahre zu einem regelrechten Publikumsmagnet entwickelte. “Damals wusste ich nicht, wie es rauskommt. Alles war rudimentär und sehr einfach gehalten. Die Künstler mussten ihre Formen selbst bauen. Die Organisation nahm ich gleich selbst in die Hand, Unterstützung bekam ich vom Gewerbe- und Verkehrsverein und von Freunden, die anfangs bei der Durchführung mithalfen. Da gab es – ausser einem kleinen grünen Bauwägeli – keine Infrastruktur.” Mit einem Lächeln im Gesicht blickt Urs zurück: “Funktioniert hat es trotzdem erstaunlich gut und die Nächte im Bauwägeli waren legendär.”

“Heute sind wir ein eingespieltes Team. Die Stadt und viele regionale Sponsoren stehen uns treu zur Seite.” Für die Künstlerinnen und Künstler steht seit einigen Jahren ein (sand)freier Tag auf dem Programm. “Es wäre doch schade, wenn sie nur arbeiten müssen. Sie sollen doch unsere wundervolle Gegend kennenlernen.” Überhaupt ist Urs zufrieden und stolz, dass Kunst und Kultur in hier in der Region einen hohen Stellenwert besitzen und grosszügig unterstützt und gefördert werden.

Kultur & See
Vor ein paar Jahren rief Urs in seinem Atelier das Falkenkabarett ins Leben. Unglücklicherweise unmittelbar vor dem Corona-Ausbruch. Nach einer längeren Pause wurde Ende des letzten Jahres das Projekt weitergeführt mit einem Liedermacherinnen-Abend. Dieser kam super an und soll nicht der letzte dieser Art gewesen sein.

Bevor wir das Interview beenden, schauen wir beide zufällig aus dem Fenster auf den Bodensee. «Hier am See zu wohnen ist für mich ein riesiges Geschenk. Der See zeigt sich jeden Tag anders und jedes seiner Gesichter fasziniert mich. Ich liebe es auch, auf einen nahegelegenen Hügel zu radeln und den See in seiner ganzen Weite zu bestaunen.» Urs und ich sind uns einig: wer hier am See aufgewachsen ist, der möchte diesen nie mehr verlassen.

Beitragsbild: Printscreen aus dem SRF-Beitrag “Der Sandkünstler vom Bodensee”

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